Armut hat viele Gesichter: Ältere, aber auch ganz junge.
Armut in einem reichen Land - dies betrifft immer mehr Menschen in Deutschland, in NRW und der Region. Kinder in armen Familien und zunehmend Seniorinnen und Senioren sind davon besonders betroffen. Die AWO Bonn/Rhein-Sieg richtet ihren Blick sowohl auf die Alters- als auch auf die Kinderarmut.
Klar ist in unserem bestehenden Rentensystem: wer niedrige oder keine Rentenbeiträge zahlt, kann auch nur mit niedrigen Rentenansprüchen rechnen. Hinzu kommen aber die erheblichen Rentenkürzungen des letzten Jahrzehnts als weitere Ursache für den Anstieg von Altersarmut. Die langfristige Absenkung des Rentenniveaus führt dazu, dass die Renten geringer steigen als die Löhne und dadurch nach und nach an Kaufkraft verlieren. Wer diesem Armutsrisiko entkommen will, muss verstärkt in die private und betriebliche Altersvorsorge investieren. Doch vielen Versicherten fehlt hierzu das Geld. Außerdem ist selbst bei einer intensiven privaten und betrieblichen Altersvorsorge keineswegs garantiert, dass die kapitalgedeckte Altersvorsorge die Rentenlücke im Alter schließen kann.
Während gebrochene Erwerbsbiographien und das stetig sinkende Rentenniveau in den kommenden Jahren rund ein Fünftel aller alten Menschen in Armut treiben wird, gelten gleichzeitig mehr als 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche als arm – dies ist etwa jedes 6. Kind. Im Rhein-Sieg-Kreis liegt die Zahl bei knapp 12%, in NRW ist die Anzahl in den vergangenen Jahren von 17% auf 18,6%, und in Bonn sogar von 18,2% auf 20,6% gestiegen.
Die AWO Bonn/Rhein-Sieg kämpft daher sozialpolitisch gegen die Rahmenbedingungen an, die Armut schaffen und verfestigen.
Auf unserer Kreiskonferenz im Oktober 2019 haben die Delegierten aus den 27 AWO-Ortsvereinen in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis einen Antrag mit dem Titel „Teilhabe ermöglichen - Kinderarmut wirksam bekämpfen“ beschlossen. Darin spricht sich die Arbeiterwohlfahrt für die Einführung einer Kindergrundsicherung aus, um die Teilhabechancen von Kindern aus finanziell benachteiligten Haushalten zu verbessern. Verbunden mit dem Appell, daran mitzuwirken, dass alle Kinder die gleichen Chancen erhalten, erfolgreich in ihr Leben zu starten.
Langfristig lässt sich aus Sicht der AWO das Problem der Kinderarmut weder über eine geringfügige Anhebung des Kindergeldes noch über eine Erhöhung der Regelsätze in der Grundsicherung lösen. Vielmehr ist eine grundlegende Reform unserer Transferleistungssysteme erforderlich, wenn das Problem nachhaltig und effektiv bekämpft werden soll.
In unserer täglichen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen des Kreisverbands spiegeln die pädagogischen Leitlinien das AWO-Leitbild wider. Dazu gehört, Kindern mehr Bildungsqualität und Chancengleichheit zu sichern und Eltern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern. Auch der Bereich der von uns betreuten Offenen Ganztagsschulen ist konzeptioneller Teil eines bildungspolitischen Anspruchs, dessen Zielsetzung es ist, den unmittelbaren Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungsniveau der Schülerinnen und Schüler zu durchbrechen.
Die AWO-ISS-Langzeitstudie zeigt: Armut in der Kindheit kann das Leben von Menschen langfristig belasten. Die Studie zeigt aber auch: Armut in der Kindheit muss kein Lebensschicksal sein. Es gibt keinen Automatismus, der aus armen Kindern zwingend arme Erwachsene werden lässt. Der Übergang ins junge Erwachsenenalter ist dabei ein Scheideweg. Er ist eine Chance, der Armut der Familie zu entwachsen. Wenn es an diesen sensiblen Übergangsphasen im Leben passende soziale Dienstleistungen und ein funktionierendes soziales Netz gibt, dann steigen die Chancen der Betroffenen, der Armut zu entkommen.
→ vgl. dazu auch: AWO-Positionspapier: Armut im Lebensverlauf Kindheit, Jugend und junges Erwachsenenalter (pdf)
Fotoausstellung zum Thema Altersarmut
Die eindrucksvollen Bilder der Fotografin Cynthia Rühmekorf lenken den Blick auf ein Problem mit wachsender Bedeutung.