Erzieherinnen aus Estland in der Internationalen Kita
„Hier gibt es weniger Papierkram als in der Heimat“: es ist für deutsche Ohren ein eher seltenes Kompliment, das Katrin Laurand, Irena Hamburg, Jana Rebane und Katri Kuusk der Internationalen Kita in Bonn machen. Die Erzieherinnen aus dem Baltikum hatten in der vergangenen Woche in der Einrichtung des AWO-Kreisverbands Bonn/Rhein-Sieg e.V. hospitiert und dabei Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede der Kita-Arbeit in Deutschland und in Estland kennengelernt.
„Vermittelt wurde der Besuch durch den Leiter des Bonner Jugendamts“, berichtet Diana Gossel, Leiterin der großen achtgruppigen Einrichtung in der Heussallee im Herzen des Bundesviertels, das sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend zum UN-Viertel entwickelt hat. Hintergrund sei natürlich die internationale, bilinguale (dt./engl.) Ausrichtung der Kita, die vor allem von Kindern der Bediensteten bei den UN-Organisationen, Nicht-Regierungsorganisationenoder Verbänden besucht wird. „Aber auch der topmoderne Zustand der Einrichtung wird ein Argument für uns gewesen sein“, so Gossel schmunzelnd.
„Wir wollten gerne einmal über den Tellerrand schauen und hatten die Gelegenheit bekommen, über das ERASMUS-Programm der Europäischen Union nach Bonn zu kommen“, berichten die Erzieherinnen, die in der Nähe der estnischen Hauptstadt Tallinn leben und arbeiten. Bei ERASMUS handelt es sich um ein Austauschprogramm für Studierende, aber auch für Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher.
Eine Woche Aufenthalt reichte dabei, um deutliche Unterschiede zwischen dem estnischen und dem deutschen Kitasystem kennenzulernen. Da ist zum einen eben der „Papierkram“: Estnische Erzieherinnen und Erzieher erstellen genaue Wochen- und „Lehrpläne“ für die Kinder, die sie jeweils mit der Kitaleitung absprechen müssen und den Eltern zu Beginn einer Woche zur Verfügung stellen, während ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen offener sein können für die situativen Bedürfnisse der Kinder. Umgekehrt steht das estnische Kitasystem aber auch erst Kindern ab anderthalb Jahren bis 7 Jahre offen, dann aber von 7-19 Uhr und für 60 Euro monatlich inklusive vier Mahlzeiten. Das allerdings, so erläutern die estnischen Gäste, mache sich natürlich beim Betreuungsschlüssel bemerkbar, der wesentlich schlechter sei als in deutschen Einrichtungen.
Der Austausch jedenfalls ist auf beiden Seiten auf fruchtbaren Boden gefallen, inhaltlich und auch persönlich. Während sich die deutschen Kolleginnen und Kollegen von der AWO Bonn/Rhein-Sieg für einen Gegenbesuch in Tallinn interessieren, nehmen die estnischen Erzieherinnen „viele neue Erfahrungen und Ideen“ mit in ihre Heimat. Über das deutsche Kitasystem natürlich, aber auch über die „tolle Einrichtung, die wunderschöne, grüne Stadt und das Rheinufer“. Und über den „Sommer im Herbst“ in Bonn.