AWO fordert gerechtere Lebensverhältnisse
Am 13.12.2019 feierte die Arbeiterwohlfahrt mit einem Festakt in Berlin ihr einhundertjähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass kritisierte der Verband die seit Jahren unverändert wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und forderte einen entschlosseneren Einsatz für gerechte Lebensverhältnisse in Deutschland. Prominente Redner auf dem Festakt der AWO waren Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und für die Bundesregierung Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil.
Bundespräsident Steinmeier dankte den Mitarbeitern und Ehrenamtlern der AWO gleichermaßen und rief ihnen zu: "Hören Sie nicht auf, sich als Anwältin der Schwachen in die politischen Debatten einzumischen. Kämpfen Sie weiter für die, die nicht für sich selbst kämpfen können“.
Einen Tag später verabschiedeten die rund 400 Delegierten auf der Sonderkonferenz in Berlin ein neues Grundsatzprogramm der Arbeiterwohlfahrt. In einem vier Jahre andauernden Prozess hatte der Verband im Rahmen von Sozialkonferenzen und Regionaltreffen das zuletzt 1998 beschlossene Grundsatzprogramm neu gefasst. Aus dem AWO Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg nahmen der Kreisvorsitzende Heinz-Willi Schäfer, seine Stellvertreter Kornelia Ebert und Heinz-Willi Ruiters sowie Kreisgeschäftsführer Franz-Josef Windisch an der Konferenz teil.
Familienministerin Franziska Giffey hielt zu Beginn der Sonderkonferenz ein eindrucksvolles Grußwort, in dem sie auf die Bedeutung der AWO als Sozialverband aber auch als Ratgeber und nicht zuletzt als Motor für einen bundesweiten Tarifvertrag für die Pflegeberufe einging. Erfreulich war auch die Formulierung im Grußwort des Berliner Verdi-Vertreters, der gleich zu Beginn einräumte, dass er sein Grußwort heute "bei den Guten" halte, bevor er für die Kampagne "100 Prozent Tarif" auf der Sonderkonferenz warb.
Beinahe einstimmig wurde das neue Grundsatzprogramm der AWO nach mehrstündiger Erörterung verabschiedet. Von zentraler Bedeutung ist danach der weitere Einsatz für eine demokratische Gesellschaft, die allen Menschen mit Respekt begegnet. Aus der Motivation heraus entstanden, die Mauern der Klassengesellschaft zu durchbrechen, arbeitet die AWO auch in Zukunft daran, Diskriminierung und Ungleichheit abzuschaffen. Der gesamte Verband bekennt sich mit dem neuen Grundsatzprogramm zugleich dazu, jede Form von Feindlichkeit, Diskriminierung, Extremismus und Rassismus gegen Menschen und soziale Gruppen zu bekämpfen.
Weiter schafft das neue Programm auch ein Bewusstsein für die ausgrenzende Wirkung sozialer Ungleichheit für Teile der Gesellschaft. Dass die Ungleichheit nicht nur den sozialen Zusammenhalt gefährdet, sondern auch den Einzelnen ohne Perspektive zurück lässt und zu geringer Lebensqualität sowie Gesundheit führt, ist für die Arbeiterwohlfahrt auch im 2. Jahrhundert ihre Bestehens untragbar. Der Verband wird hier seine Aktivitäten weiter ausbauen und sich alleine und in Partnerschaft mit anderen Organisationen gegen diese Entwicklung stemmen.
Folgerichtig wird darüber hinaus der Grundwert Gerechtigkeit ins Zentrum gestellt. Dieser weist nun stärker als zuvor auf die Notwendigkeit eines sozialen Ausgleichs hin und fordert einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen. Die AWO verdeutlicht damit, dass sozialer Fortschritt zugleich den Schutz der Natur und Umwelt im Blick haben muss.
Im Rahmen des Grundsatzprogramms richtet der Wohlfahrtsverband seinen Blick nicht zuletzt auf die eigenen Strukturen und Aktivitäten und führt dabei aus, dass diese sich einzig an den Bedürfnissen der Mitglieder, der Engagierten, der Klientinnen und Klienten sowie den politischen Zielen der AWO ausrichten. Dazu wurden unter dem Kapitel „Wir verpflichten uns“ weitreichende Beschlüsse gefasst, die den Verband und die Verantwortlichen selbst in die Pflicht nehmen wertegebunden zu handeln.
Mit ihrer 100-jährigen Geschichte zählt die AWO zu den ältesten Wohlfahrtsverbänden in Deutschland. Die Arbeiterwohlfahrt wurde am 13. Dezember 1919 auf Initiative der Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin Marie Juchacz gegründet. Wenige Wochen nach der Machtübernahme Adolf Hitlers wurde die AWO verboten, weil sich ihre Mitglieder der Gleichschaltung verweigerten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Verband 1946 in Hannover neu gegründet. Seit der Wiedervereinigung ist die AWO bundesweit tätig. Sie gehört zu den sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege mit bundesweit rund 318.000 Mitgliedern, 74.000 ehrenamtlich engagierten Helferinnen und Helfern sowie 231.000 hauptamtlichen Mitarbeiter/-innen. Bundesweit unterhält die AWO über 18.000 Dienste und Einrichtungen.